
Die Garteninsel beherbergt mit dem Kalalau Trail einen der schönsten und härtesten Trekkingpfade der Welt. Diese Information erhalte ich allerdings erst hinterher. Vermutlich hätte ich mich sonst nicht auf den Weg gemacht. Ängste und Nöte, aber auch jede Menge magische Erlebnisse erwarten mich und meine Mitwanderer an der sagenhaften Na pali-Coast. Bei jedem Besuch der Nordküste laufe ich das erste Stückchen des Kalalau Trails und begegne dort immer wieder wanderlustigen Abenteurern. So nehme ich eines Tages ein trampendes Pärchen mit. An ihren großen Rucksäcken erkenne ich gleich, dass sie am nächsten Morgen den Kalalau-Trail laufen werden. „Is it tough?“ fragt mich das Mädchen verunsichert und ich grinse in mich hinein. „It is“ antworte ich. Ich steige eine halbe Meile hoch und setze mich mit kaltem Budweiser in die Abendsonne. Da ist sie wieder… meine geliebte Na Pali Coast. Immer wieder kommen mir erschöpfte, verschwitzte und verschlammte Kalalau-Wanderer auf ihrem Rückweg entgegen. Alle stellen mir dabei die gleiche Frage: „How long is it to the start?“ Mein „Only 40 minutes“ beruhigt sie nicht ansatzweise. Am Ende ist jede Minute zu viel. Das erste, was nach diesem Trail zählt, ist eine verdammt lange Dusche, ein gutes Essen und eine ordentliche Matratze.
So starten Martin, Dana, Nico, Fela, Mike und ich im April 2009 zu einer 5-tägigen Tour ins Paradies. Uns erwarten 11 Meilen an der Küste entlang, durch unberührte Natur und steile, ungesicherte Felswände, ohne Handy-Empfang, ohne Dusche, ohne Bett, ohne Strom. Keine Musik, kein Alkohol, nur begrenzte Nahrung und Wasser aus den zahlreichen Flüssen entlang des Trails. Jeder von uns einen Rucksack über 10 kg. Was kommt in einen Rucksack? Zelt, Schlafsack, Regenjacke, Gaskocher, Taschenlampe, Taschenmesser, Kamera, Sonnenmilch, Kleidung zum Wechseln, Essen für 5 Tage. Außerdem Entkeimungstabletten. Ausreichend Flüssigkeit für eine knappe Woche mitzunehmen ist unmöglich. Das von Bergziegen verseuchte Wasser wird aus den zahlreichen Flüssen oder Wasserfällen gezapft, mit Tabletten gereinigt und mit Himbeer-Brausepulver veredelt. Schmeckt sonst doch sehr nach Chemie. Warm sowieso. Und warm ist es auf diesem Wanderweg allemal. Klingt hart. Ist es auch. Aber machbar. Auf dem Kalalau lernt man fürs Leben. Wer diesen Trail bewältigt, bewältigt den Rest seines Daseins. Die Entschädigung der Strapazen ist unberührte Natur, ein Traumstrand, ja sogar ein Wasserfall, der mit frischem Bergwasser als Dusche benutzt wird. Man trifft dort vereinzelt Kleinkriminelle, Hippies und Kiffer, die mehrere Wochen oder Monate in diesem Tal leben. Vor der Polizei sind sie im Kalalau Valley sicher.

Der Abend davor erscheint ernüchternd. Eine Übernachtung im Zelt am traumhaften Haena Beach. Ein letztes Sandwich, ein letztes Bier, die Bettgehzeit wird von Martin auf 21.00 festgesetzt. Weiß er doch, wovon er redet. Er ist den Weg schon zweimal gelaufen. Der nächste Morgen ist traumhaft. Ich wache vor Aufregung schon um 5.00 Uhr auf und genieße den bunten Sonnenaufgang. Langsam kriechen auch meine Freunde aus ihren Zelten, wir packen zusammen und fahren an den wenige Meilen entfernten Kee Beach, an dem unsere Tour morgens um halb 7 startet. Die Nervosität steigt. Sind wir fit genug? Sind die Wanderstiefel gut eingelaufen? Wie wird das Wetter? Bei den fast täglich vorkommenden starken Regenschauern verwandelt sich der Boden in Matsch, kleine Flüsschen verwandeln sich innerhalb von Minuten in reisende braungefärbte Ströme. Die Inselbewohner reden dann von „flush flood“.